Volkstrauertag und Gedenkorte

Volkstrauertag in Deutschland und was ihm vorausging 

SAG MIR WO DIE BLUMEN SIND
Peter Seeger, der Texter des folgenden Liedes, sprach mal von den ukrainischen und dann wieder von den russischen Wurzeln seines Songs, der in alle Sprachen übersetzt worden war. Er schrieb ihn in den 1950er-Jahren. Die sinnwichtigsten Teile sind hier wiedergegeben.   

SAG MIR WO DIE BLUMEN SIND

Sag mir, wo die Blumen sind
Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je versteh'n?
Wann wird man je versteh′n?

Sag mir, wo die Männer sind
Zogen fort, der Krieg beginnt
Wann wird man je versteh'n?
Wann wird man je versteh′n?

Sag, wo die Soldaten sind
Über Gräbern weht der Wind
Wann wird man je versteh′n?
Wann wird man je versteh'n?
                                                         
Sag mir, wo die Gräber sind
Blumen blüh'n im Sommerwind
Wann wird man je versteh'n?
Wann wird man je versteh′n?

Sag mir, wo die Blumen sind
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind
Was ist gescheh′n?

Die Fragen des Liedes stellen sich immer noch.  Bestimmt dann, wenn über kriegerische Aktivitäten gesprochen werden muss.  In Deutschland begann nach jedem Krieg tiefes Nachdenken, man ersehnte einen Gedenktag. Gedanken an die riesigen Verluste, an das unermessliche Leid und die fast ausweglose Trauer verlangten nach Ausdruck, nach Zeichen, nach Mahnmal.  Nach den Preußischen Kriegen und den Weltkriegen wurden unverzüglich Gedenktage für die Kriegstoten eingerichtet, noch bevor Gedanken an Nationalfeiertage auflebten.  

1848 nach den Aufständen in Berlin und anderen Residenzen gründeten sich Militärische Begräbnisvereine, auch Veteranen-Vereine genannt, in verschiedenen Gebieten Deutschlands. Aber es fehlte eine gemeinsame Erinnerungskultur.  Einen Staat „Deutschland“ gab es noch nicht. Unaufhaltsam strebte Preußen dem politischen Ziel zu,  einen deutschen Staat zu erschaffen. Drei Kriege wurden zu diesem Zwecke angezettelt.

Krieg Nr. 1, der Dänischer Krieg: Anfang Februar 1864 griffen Preußen und Österreich Dänemark an und  besetzten Schleswig. Die Armeen Preußens und Österreichs besiegten sehr schnell die dänischen Truppen. Entscheidend war die Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864 durch die Preußische Armee. Österreich annektierte das Herzogtum Holstein, Preußen das Herzogtum Schleswig. Bald wurden Preußen und Österreich uneinig.  

Es folgte der Krieg Nr.2, der Preußisch-Österreichische Krieg 1866 in Böhmen: Anlass war der Streit um die Verwaltung der Herzogtümer Holstein und Schleswig. Preußen besiegte Österreich.

      Denkmal der Gemeinde Hullern zum Gedenken  an die Feldzüge 1864, 1866 und 1870/71.          

Ganz eilig zettelte man den dritten Krieg gegen Frankreich 1870 an: Preußen mit seinen Verbündeten, alles Deutsche Kleinstaaten, besiegten Frankreich. Die entscheidende Schlacht war die bei Sedan. Sedan ist eine Französische Stadt unweit der Maas und der Belgischen Grenze, ca.200 km südwestlich von Aachen und  370 km von  Oer-Erkenschwick entfernt.  Am 1. und 2. September 1870 nahmen die Verbündeten Truppen der Deutschen Kleinstaaten unter Führung Preußens die Festung Sedan ein. Der Französische Kaiser Napoleon III. und der  Großteil der französischen Armee (ca. 40.000 Soldaten)  ergaben sich und gingen in Kriegsgefangenschaft. Otto von Bismarck, Preußens Ministerpräsidenten unter König Wilhelm erreichte in Verhandlungen eine Einigung der Deutschen Kleinstaaten mit Preußen und dem Königreich Bayern.  Baden, Württemberg und Bayern sowie Hessen  gehörten ab dem 1. Januar 1871 zum von Preußen dominierten Norddeutschen Bund. Am selben Tag trat die neue Bundesverfassung in Kraft.   Als Reichsgründungstag wurde später der 18. Januar 1871 gefeiert. An diesem Tag erfolgte die Proklamierung des  preußischen  Königs Wilhelm I. in  Versailles zum Deutschen Kaiser.  Das zweite Deutsche Reich war erschaffen.

Zum Gedenken an die Einnahme der Festung Sedan wurde der 2. September zum nationalen Deutschen Gedenktag an die Gefallenen erklärt. Alle Veteranen-Vereine im gesamten Deutschen Reich begingen den „Sedanstag“ mit flammenden Reden und viel Marschmusik an Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten. Fast 50 Jahre lang, von 1871 bis 1918, bestand dieser nationale Gedenktag. Der Sedanstag wurde am 27. August 1919, durch die Weimarer Republik wieder abgeschafft. Er war nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg nicht mehr zeitgemäß.

Denkmal in Waltrop: 
Siegesgöttin und der ermüdete Held mit einer Plakette "Kaiser Wilhelm I."

Text der Tafel am Fuße des Waltroper Denkmals:
Wir gedenken der Gefallenen der Kriege 1866, 1870-1871 und der Opfer beider Weltkriege.
Vom Bürgerschützenverein Waltrop anno 1999 renoviert

Entscheidend für die weitere deutsche Gedächtniskultur war die Gründung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. am 16. Dezember 1919. 

 Aus dem Volksbund heraus kam die Anregung, einen Volkstrauertag einzurichten. Begründet mit dem  Argument, Deutschland als Staat, den es noch keine 50 Jahre gab zu der Zeit, sollte einen einigenden Feier- und Gedenktag bekommen, und da wäre das Gedenken an den vorausgegangenen furchtbaren Krieg mit seinen Millionen Toten der berechtigte Anlass.  

Der Volksbund betreut heute Kriegsgräberstätten im In- und Ausland, aktuell die Gräber von etwa 2,8 Millionen Kriegstoten auf 832 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten.

Der Volkstrauertag wurde also 1919 vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs vorgeschlagen. Ab 1926 wird er begangen. Zuerst  am fünften Sonntag vor Ostern, heute am Ende des Kirchenjahres, am vorletzten Sonntag vor dem ersten Advent. Überall finden Gedenkfeiern für die deutschen Gefallenen der Weltkriege statt.

Die Vereinigung ehemaliger Kriegsgefangener erklärte 1927: „Mögen die geehrten Toten Saatkörner sein, die der Welt den ersehnten ewigen Frieden geben“.

Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August 1934 legte die Reichsregierung (Hitlers NSDAP regierte)    den Volkstrauertag als staatlichen Feiertag am zweiten Fastensonntag fest. Der Propagandaminister  Joseph Goebbels änderte 1934 den Namen Volkstrauertag in Heldengedenktag. Nicht mehr Totengedenken und Trauer sollte im Mittelpunkt stehen, Heldenverehrung war angesagt.


Am 15.09.1935 enthüllten Repräsentanten der Partei das  Oerer „Heldendenkmal“. Der Bildhauer Fritz Große Streuer hatte es in wochenlanger Arbeit aus einen Muschelkalkblock gearbeitet.  Relief-Themen waren: Auszug der Kämpfer, Heimkehr, Mutters Trauer, Volkserhebung.

Es gab bereits vorher    ein Oerer Denkmal, das an 1870/71 erinnerte und 1935 verschwand. 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diskutierte man 1946 in den  westlichen Besatzungszonen die Durchführung und ein mögliches Datum für weitere Volkstrauertage. Anfang der 1950er-Jahre stand der künftige Termin fest. Die Regierungen  der BRD und der Länder sowie die großen Glaubensgemeinschaften  hatten sich auf den vorletzten Sonntag im Kirchenjahr (evangelisch) beziehungsweise den 33. Sonntag im Jahreskreis (katholisch) geeinigt. 

Heute versteht der Volksbund diesen Gedenktag als Mahntag zur Versöhnung, zur Verständigung und zum Frieden. Da der Volkstrauertag immer auf einen Sonntag fällt, ist er kein gesetzlicher Feiertag. In letzter Zeit wird auch der Toten bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gedacht.      

           Denkmal am Stadion


Das steinerne Eiserne Kreuz im Rasen krönte vorher das alte Denkmal

Bürgermeister    Heinz Netta enthüllte am 15.11.1964 das neue Denkmahl am Stadion. Es    erinnert an 526 Gefallene, 32 Vermisste und 63 zivile  Opfer Oer-Erkenschwicks. Das Denkmal, gestaltet von Gerhard Knorre aus Bielefeld , zeigt 4 Trauernde. 

1945 entfernte man die Hakenkreuze.    Das Denkmal von 1934  wurde 1960 abgebrochen.      Themen-Text  1934: Treue um Treue  

Von der Schützengilde Rapen wurde am    18.11.1972 dieser Mahnstein zum Totengedenken am Turm  der Kirche St. Marien    aufgestellt.

Text: Unseren Toten zum ehrenden    Gedenken.




       Am Eingang    zur Kirche St. Marien finden wir diese Tafel mit dem Text: 

Wir beten zu Gott für unsere Gefallenen und die Opfer zweier Weltkriege und bitten,    dass er uns durch all das Leid zu lieben lehrt. 

In der DDR wurde der Volkstrauertag zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Faschismus und der imperialistischen Kriege umgedeutet. Er fand jährlich am zweiten Sonntag im September statt. Im Zentrum stand die Erinnerung an die Opfer  des Faschismus. 

Die Gefallenen der wichtigsten Kriegsteilnehmer-Staaten:

Krieg 1864 zwischen Preußen/Österreich und  Dänemark: 
Dänen = 4800 Tote, Deutsche = 1200 Tote;

Krieg 1866 zwischen Preußen und Österreich:
Preußen 2.000 Tote, Österreich = 5.500 Tote;

Krieg 1870/71 zwischen Deutscher Allianz  und Frankreich: 
Insgesamt mit Zivilopfern = 190.000 Tote;

Erster Weltkrieg 1914-1918:
USA 117.000 Tote, Italien 460.000 Tote, Großbritannien 750.000 Tote, Frankreich 1,37 Mio. Tote, Österreich.-Ungarn 1.460.000 Tote, Russland über 2 Mio. Tote, Deutschland 2.037.000 Tote; 

Zweiter Weltkrieg 1939-1945: 
Sowjetunion = 27.000.000 Tote, Jugoslawien = 1.690.000 Tote, Ungarn = 950.000 Tote, Deutschland = 6.360.000 Tote, Japan = 3.760.000 Tote, China 13.500.000 Tote, Niederlande = 220.000 Tote, Finnland = 91.700 Tote,  Griechenland = 180.000 Tote,  Tschechoslowakei = 330.000 Tote, Rumänien = 378.000 Tote, Frankreich = 360.000 Tote, Belgien = 60.000 Tote, Großbritannien = 332.825 Tote, Italien = 300.000 Tote,  Bulgarien = 32.000 Tote, USA = 407.316 Tote,  Polen = 6.000.000 Tote;

Denkmäler dieser Art, die den persönlichen Verlust individueller Personen zeigen, sind seltener. Meist greift man symbolische Darstellungen als Denkmalsgestaltung auf. 

Fast alle Denkmäler zeigen das Eiserne Kreuz als Symbol. Es ist ursprünglich eine preußische Kriegsauszeichnung und wurde am 10. März 1813 von König Friedrich Wilhelm III. für Auszeichnung im Befreiungskrieg gegen die Napoleonische Fremdherrschaft gestiftet.  

 Leider bisher unerfüllt: Die Vereinigung ehemaliger Kriegsgefangener erklärte 1927: „Mögen die geehrten Toten Saatkörner sein, die der Welt den ersehnten ewigen Frieden geben“.

Vielleicht sollte man auch der geschundenen Fremdarbeiter gedenken. Wir könnten ihre Erkenschwicker Gedenkstätte am Volkstrauertag besuchen.


Eine Besonderheit der  Gedächtniskultur ergibt sich für unseren Erkenschwicker Ortsteil "Bauerschaft Rapen".  
Gestorbene Rapener  wurden teilweise bis 1964 auf dem Friedhof Horneburg begraben, weil Rapen teilweise zur Pfarrei Maria-Magdalena in Horneburg gehörte. Die dort auf dem Areal des Alten Friedhofes befindliche Friedhofskapelle deuteten 1934  die Machthaber zum Ehrenmal um. So kam es, dass die Gefallenen und Vermissten der Weltkriege aus der "Bauerschaft Rapen" in die dort angelegten Gedächtnislisten eingetragen worden sind.

Kriegstotenehrenmal in Horneburg mit den Namen Rapener Kriegstoten.